Nodalpunktbestimmung bei extremen Brennweiten

Jetzt habe ich schon wieder das veraltete Wort „Nodalpunkt“ in der Überschrift benutzt, eigentlich müsste ich dieses Wort gegen „No Parallax Point“ oder „Zentrum der Eintrittspupille“ austauschen, denn diese Ausdrücke beschreiben den gesuchten Punkt, um den man drehten sollte ohne eine Verschiebung zwischen Vorder- und Hintergrund hinnehmen zu müssen, weitaus exakter. Warum ich es doch benutzt habe: Es hat sich in der Panoramafotografie so eingebürgert.

Das Zentrum der Eintrittspupille ist der physikalische Ausdruck des gesuchten Punktes. Die Eintrittspupille begegnet uns in der Fotografie immer dann, wenn wir ein neues Objektiv kaufen und die „Lichtstärke“ (auch Blendenzahl genannt) als Qualitätskenngröße benutzen. Die Größe, bzw. den Durchmesser der Eintrittspupille kann man nämlich direkt aus der Blendenzahl und der Brennweite des jeweiligen Objektives ableiten, und zwar so:

D = f / k
Der Durchmesser D der Eintrittspupille entspricht der Brennweite f (z.B. 50mm) dividiert durch die Blendenzahl k (z.B. 1,4). Unser Standardobjektiv 50mm / 1,4 hat also eine Eintrittspupille mit 35,7 mm Durchmesser. Nehmen wir mal eine anderes Objektiv: Bei einem 200mm / 2,8 hat die Eintrittspupille einen Durchmesser von beachtlichen 71,4 mm. Übrigens, der Filterdurchmesser der Frontlinse ist immer größer als die Eintrittspupille – mir ist jedenfalls noch kein Objektiv untergekommen, bei dem es nicht so wäre.

Zurück zum Thema: In der Panoramafotografie interessiert uns nicht die Größe, sondern vielmehr die Lage der Eintrittspupille und die schreibt oder graviert uns der Hersteller leider nicht direkt aufs Objektiv. Sie muss deshalb experimentell ermittelt werden und ist abhängig von der Bauart des Objektives. Wie man die Lage ermittelt und worauf man dabei achten sollte habe ich im Kapitel „Aufnahme“ beschrieben.

Die Lage der Eintrittspupille
Eine vereinfachte Darstellung der geometrischen Verhältnisse innerhalb des Objektives sehen Sie in der Abbildung oben. Gesucht ist der Schnittpunkt optische Achse - Eintrittspupille (dunkelblauer Pfeil). Der Panoramakopf ermöglicht das parallaxefreie Drehen um diesen Punkt und somit ein optimales Ergebnis beim späteren Zusammensetzen der Einzelbilder. Dieser Punkt muss nicht zwangsläufig in der Mitte des Objektives liegen und ist nicht mit dem Brennpunkt zu verwechseln. Bei den meisten Weitwinkelobjektiven findet man ihn nahe der Frontlinse, bei Zooms wandert er mit zunehmender Brennweite in Richtung Kamera. In seltenen Fällen kann er sich sogar außerhalb des Objektives befinden.
Visuelle Bestimmung der Lage der Eintrittspupille Übrigens, die Eintrittspupille ist das virtuelle Bild der Blende und damit kann man ihre ungefähre Position abschätzen. Schalten Sie Ihre Kamera ein, stellen Sie eine möglichst geschlossene Blende (z.B. f 16) ein und drücken Sie auf die Abblendtaste während Sie von vorne in das Objektiv sehen. An der Stelle, an der Sie die geschlossene Blende sehen, befindet sich die Eintrittspupille.
Natürlich sehen Sie nicht direkt auf die geschlossene Blende, sondern diese durch ein Linsensystem, quasi wie durch eine Lupe (deshalb die Bezeichnung "virtuelles Bild der Blende"). Für eine exakte, räumliche Bestimmung der Lage der Eintrittspupille ist diese Methode natürlich ungeeignet.

Wie wichtig ist es um die Eintrittspupille zu drehen?

Manch einer hat mir erzählt, er habe ein super Panorama einfach so aus der Hand geschossen – ganz ohne Panoramakopf und natürlich ohne darauf zu achten um die Eintrittspupille zu drehen.

Nun gut, diese Aussage mag vielleicht stimmen, aber nur in ganz bestimmten Aufnahmesituationen. Hat man z.B. ein Motiv ohne Vordergrund, kann es auch zu keiner Parallaxenverschiebung zwischen Vorder- und Hintergrund kommen und das Panorama gelingt in jedem Fall.

Das Telepanorama
Telepanorama
Telepanorama: 7 Aufnahmen, Brennweite 85 mm, Blende 11, Horizont genau mittig
Ein typisches Beispiel ist dieses Telepanorama. Das am nächst gelegene Objekt, der Vordergrund, ist vielleicht 100 m vom Kamerastandpunkt entfernt. Die Berge im Hintergrund vielleicht 30 km. Angenommen man dreht jetzt mal ohne Panoramakopf einfach so vom Stativ mit einem 3-Wege-Neiger um das Fotogewinde der Kamera. Bei Verwendung eines leichten Teleobjektives von 85mm ist dieses etwa 10 cm von der Eintrittspupille des Objektivs entfernt. Die daraus resultierende Parallaxenverschiebung beim horizontalen Schwenken ist durchaus vernachlässigbar und im Sucher wie auch in den Aufnahmen nicht zu erkennen. Der „Einstellfehler“ von 10 cm auf 100 m (Verhältnis 1:1000) ist durchaus vernachlässigbar. Solche Panoramen gelingen quasi immer!

Bestimmung der Position der Eintrittspupille beim Teleobjektiv
Natürlich ist es nicht verkehrt auch beim Teleobjektiv um die Eintrittspupille des Objektives zu drehen. Grob kann man mit oben beschriebener Methode dessen Lage bestimmen (Blende schließen, Abblendtaste drücken und von vorne in das Objektiv hineinsehen). Genauer geht es mit einem Testaufbau, in dem man vertikale Linien im Vordergrund mit vertikalen Linien im Hintergrund zur Deckung bringt und beobachtet, ob es beim horizontalem Schwenken zu Verschiebungen kommt oder nicht (Details hier). Allerdings reicht das eigene Wohnzimmer für solche Tests oftmals nicht aus, denn man hat aufgrund der geringen Tiefenschärfe eines Teleobjektives schnell das Problem, dass man Vorder- und Hintergrund nicht mehr gemeinsam im Sucher scharf erkennen kann. Ein „großräumiger“ Testaufbau, z.B. im eigenen Garten mit weiteren Abständen ist deshalb empfehlenswert. Auch hier der Tipp die Blende zu schließen und die Abblendtaste der Kamera zu benutzten um auch im Sucher größt mögliche Tiefenschärfe zu erzeugen.

Telepanorama
Telepanorama: 9 Aufnahmen, Brennweite 135 mm, Blende 8, Horizont außermittig
Tipp
Die Verwendung eines multirow Panoramakopfes oder alternativ eines "Gimbal Heads" (Teleschwenkbügels) hat beim Telepanorama den Vorteil, dass man den Horizont schon bei der Aufnahme außermittig platzierte kann. Mit einem einfachen Stativkopf, einer Drehplatte oder beim klassischen, einzeiligen Panoramakopf ist dies nur schwer möglich, da sich die Lage des Horizonts mit jedem Teilbild ändert.
Das Weitwinkelpanorama
Weitwinkelpanorama Kühlschrank Und jetzt das andere Extrem: Ein Kugelpanorama mit einem Superweitwinkel- oder Fisheye- Objektiv im Nahbereich z.B. meine Kühlschrankaufnahme: Das nächste Objekt (die Paprika) war etwa 10 cm von der Frontlinse entfernt. Dreht man in diesem Fall (fälschlicher Weise) einfach um das Stativgewinde der Kamera (was ich natürlich nicht gemacht habe), welches etwa 10 cm von der Eintrittspupille entfernt ist, so erzeugt man einen Einstellfehler von 10 cm auf 10 cm, also im Verhältnis 1:1.


Der daraus entstehende Parallaxenfehler wäre nachträglich nicht mehr zu retuschieren, das Panorama würde misslingen. Zudem kommt im Nahbereich noch ein weiterer negativer Effekt hinzu wenn man fälschlicher Weise um das Stativgewinde der Kamera dreht: Die Größenveränderung der abgebildeten Objekte beim Schwenken. Sie tritt immer auf, wenn sich der Abstand Objekt-Eintrittspupille von Bild zu Bild stark verändert, also im Nahbereich.

Um es kurz zu machen: Bevor man mit solch einer Aufnahme beginnt sollte der Panoramakopf extrem genau eingestellt werden, ansonsten lassen sich die Einzelbilder nicht, oder nur mit sehr aufwändiger Nacharbeit am Rechner zusammensetzen. Möchte man auf das gleiche „Fehlerverhältnis“ wie bei unserem Telepanorama kommen, nämlich 1:1000, so müsste man den Panoramakopf auf 0,1 mm genau justieren, was in der Praxis kaum möglich ist. In der Regel wird man sich mit 1 mm Abweichung bei 10 cm Abstand von der Frontlinse zufrieden geben müssen, was einem Verhältnis von 1:100 entspricht.

Vielleicht mögen Sie jetzt einwenden, dass man solche extremen Panoramen wie das im Kühlschrank wohl eher selten macht. Dies ist sicherlich richtig. Aber bei der Innenansichten von Immobilien oder Fahrzeugen, dem Hauptanwendungsgebiet von Kugelpanoramen, kommen Objektabstände von sagen wir mal 30 – 100 cm durchaus vor. Und wenn man hier den Panoramakopf auf 1 mm genau eingestellt ist man wieder beim „Fehlerverhältnis“ von fast 1:1000, und damit gut gerüstet auch für extreme Standpunkte, z.B. direkt unter einen Leuchter und vor dem Armaturenbrett eines Fahrzeugs. Panoramen, die viel Vordergrund enthalten wirken übrigens besonders plastisch und dreidimensional und beeindrucken somit den Betrachter. Ein weiteres Argument, einen Panoramakopf zu benutzten und sich mit dessen Justage zu befassen.

Von welchen Faktoren ist die Lage der Eintrittspupille abhängig?
  • Vom Objektiv
  • Bei Zoomobjektiven von der eingestellten Brennweite (je nach Bauart kann die Abhängigkeit stark oder weniger stark sein)
  • Von der Fokusstellung (nur ganz geringe Abhängigkeit)
  • Von der Blende (ebenfalls nur geringe Abhängigkeit)
  • Vom Einfallswinkel (=Bildhöhe, nur bei bestimmten Fisheyeobjektiven)

Empfehlenswert ist es, die Bestimmung der Lage der Eintrittspupille unter möglichst realen Bedingungen vorzunehmen, d.h. hier mit typischen Einstellungen bzgl. Blende und Fokus zu arbeiten und die Parallaxenverschiebung im späteren Überlappungsbereich zu beobachten.

Bestimmung der Position der Eintrittspupille beim Fisheye- und Superweitwinkelobjektiven
Ausrichten der Kamera mit Hilfe des Novoflex VR-System 6/8

Vorweg nochmals der Hinweis, dass man diese Justage nur ein einziges mal machen muss, da man die ermittelten Werte an den Skalen des Panoramakopfes ja immer wieder – vor den eigentlichen Aufnahmen – einstellen kann. Es ist also durchaus sinnvoll für diesen einmaligen Vorgang etwas mehr Zeit zu investieren. Man spart sich dadurch ein vielfachen an nachträglicher Retusche am Computer.

In der Praxis, am Beispiel des Panoramakopfes Novoflex VR-System 6/8 wird die Justage folgendermaßen vorgenommen:

  • Bringen Sie die Kamera in die links abgebildete Position. Richten Sie die Kamera mit Hilfe der Wasserwaage auf dem Blitzschuh exakt nach unten aus. Hierfür öffnen und schließen Sie die obere (blaue) Winkel-Feststellschraube.

  • Nun sehen Sie durch den Sucher Ihrer Kamera und verschieben, bei geöffneter unterer Klemmschraube die L-förmige Klemmplatte solange, bis das mittlere Autofokus Messfeld Ihrer Kamera genau auf die Markierung der Drehachse (weißes Kreuz) zielt (siehe Abb. links).

  • Danach schließen Sie die Klemmschraube wieder und notieren sich den Wert der unteren Skala auf der Klemmplatte für zukünftige Aufnahmen mit dieser Kamera.

  • Anschließend richten Sie, mit Hilfe der oberen, blauen Winkel-Feststellschraube und der Wasserwaage auf dem Blitzschuh, die Kamera wieder horizontal aus, bringen sie also wieder in die normale Aufnahmeposition.

  • Nun wird einmalig ein Testaufbau benötigt, in dem vertikale Linien im Vorder- und Hintergrund vorhanden sind. Solch ein Testaufbau lässt sich leicht in der eigenen Umgebung realisieren. Bringen Sie ein vertikales Objekt, welches sich im Vordergrund befindet, mit einem vertikalen Objekt im Hintergrund zur Deckung (z.B. Stehlampe und Bilderrahmen).
Testaufbau mit Novoflex VR-System 6/8
Testaufbau zur Nodalpunktbestimmung bei einen Fisheyeobjektiv

  • Sehen Sie durch den Sucher, während Sie die Kamera horizontal von links nach rechts schwenken.

  • Beobachten Sie, ob sich Vorder- und Hintergrund voneinander weg bewegen oder in Deckung bleiben.
Gerade bei Fisheyeobjektiven, wie in diesem Beispiel, ist die Parallaxenverschiebung wegen der durchgebogenen Linien und der kleinen Details (bedingt durch den riesigen Bildwinkel) nur schwer im Sucher zu erkennen. Deshalb hier ein paar Empfehlungen:
  • Benutzen Sie nach Möglichkeit dieselben Einstellungen für Blende und Fokus wie später beim Fotografieren, für ein Kugelpanorama beispielsweise Blende 11 und Fokus auf 1 m.

Tipp
Im Nahbereich ist es empfehlenswert mit der sog. hyperfokalen Distanz zu arbeiten. Hierbei geht es um die optimale Kombination von Entfernungseinstellung und Blende. Ziel ist es, die Tiefenschärfe zu maximieren ohne die Blende komplett schließen zu müssen (was Beugungsunschärfe verursachen würde). Stattdessen wir bei gegebener mittlerer Blende der Fokus zwischen den Nahpunkt und Unendlich gelegt. Für viele Objektive liefert der Hersteller entsprechende Tabellen oder man findet eine diesbezügliche Skalen direkt auf dem Objektiv. In der Abbildung unten steht der Fokus beispielsweise auf 0,28 m: Bei Blende 11 reicht die Schärfe von 0,18 m bis Unendlich.

Fisheyeobjektiv in hyperfokaler Distanz bei Blende 11
Fisheyeobjektiv in hyperfokaler Distanz bei Blende 11: Die Schärfe reicht von 0,18 m bis Unendlich

In einigen Foren wurde sogar berichtet, dass das Abbild eines weit entferntes Objektes, aufgenommen mit einem Fisheyeobjektiv, deutlich weniger Abbildungsfehler enthält, wenn auf ca. 1 m, als wenn auf Unendlich fokussiert wird. Demzufolge ist das Fokussieren auf Unendlich mit bestimmten Fisheyeobjektiven grundsätzlich nicht empfehlenswert, wenn bei mittlerer oder geschlossener Blende gearbeitet wird (was in der Panoramafotografie ja gängige Praxis ist).

  • Das vertikale Objekt im Vordergrund stellen Sie möglichst nah an die Kamera, es sollte allerdings im Sucher noch scharf zusammen mit dem Hintergrund zu erkennen sein. Benutzen Sie deshalb die Abblendtaste Ihrer Kamera, um die nötige Tiefenschärfe zu erzeugen.

  • Eine große Hilfe ist eine Skala im Hintergrund (z.B. ein Lineal über dem Bilderrahmen, siehe Abb.). Das Objekt im Vordergrund dient hierbei quasi als Zeiger. Da die minimale Verschiebung im Sucher kaum zu erkennen ist, müssen Testbilder gemacht und am PC angezeigt werden.
Testaufbau: Position noch nicht gefunden
Die richtige Position ist noch nicht gefunden: Verschiebung zwischen Vorder- und Hintergrund beim Rechtsschwenk

  • Hilfreich ist es die Kamera per Datenkabel bzw. Wireless Adapter direkt mit dem Rechner zu verbinden und die gemachten Bilder dort vergrößert zu betrachten.
Novoflex VR-System 6/8
  • Vergleichen Sie hierbei jeweils die Skalenwerte, die beim Schwenken auf der rechten und linken Seite der Aufnahmen entstehen. Sind sie unterschiedlich, so drehen Sie noch nicht im Zentrum der Eintrittspupille. Stellen Sie in diesem Fall einen anderen Abstand an der oberen Klemmplatte ein. Beim erneuten Schwenk werden sich die Skalenwerte der Aufnahmen voneinander weg bewegen oder annähern. Im letzteren Fall haben Sie die obere Platte in die richtige Richtung bewegt.

  • Wiederholen Sie den Vorgang solange, bis sich die Skalenwert beim Schwenken nicht mehr verändern. Nun dreht sich das System beim Schwenken um das Zentrum der Eintrittspupille des Objektivs.

Testaufbau: Position gefunden
Die richtige Position ist gefunden: Keine Verschiebung zwischen Vorder- und Hintergrund beim Rechtsschwenk

  • Den ermittelten Skalenwert an der blauen, oberen Klemmplatte notieren Sie sich für zukünftige Aufnahmen mit diesem Objektiv.

Tipp
Bei Kameras mit zoombarem LiveView, der zusammen mit der Abblendtaste verwendet werden kann, können Sie die Zahlen der Skala auch direkt am Display der Kamera betrachten. Alternativ zoomen Sie direkt an der Kamera unmittelbar nach den Aufnahmen in das jeweilige Bild.

Fazit
Wie so oft im Leben kommt es auf das richtige Verhältnis an. Die Entscheidung ob ein Panoramakopf benutzt werden sollte oder nicht und wie genau dieser justiert werden muss hängt vor allem vom Abstand zum Motiv ab.

Beim Telepanorama mit einem relativ großen Abstand vom Motiv kann man sich Fehler bei der Justage durchaus erlauben - sie fallen kaum ins Gewicht. Anders sieht es beim Weitwinkelpanorama im Nahbereich aus. Durch das Einbeziehen des Vordergrundes kann man beeindruckende, räumlich wirkende Panoramen erzeugen. Und in diesem Fall ist ein gut justierter Panoramakopf unerlässlich.

Jan Röpenack, März 2009
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