Persepektivenkorrektur
In der Ausgabe 10/2007 der Zeitschrift COLOR FOTO finden Sie - neben einem sehr interessanten Bericht - auf Seite 89 dieses perspektivenkorrigiertes Panorama von mir. Es zeigt die Zentrale der HypoVereinsbank in München. In diesem Artikel zeige ich Ihnen, wie dieses Bild entstanden ist.
Das typische Problem:
Egal ob Architekturfotograf oder Tourist - jeder der in der Stadt Gebäude fotografiert wird früher oder später mit diesem Problem konfrontiert: Man steht vor dem Gebäude und muss die Kamera nach oben neigen um es vollständig zu erfassen. Dabei entstehen sog. "stürzende Linien", d.h. gerade Linien verlaufen nicht mehr parallel zum Bildrand.
  • Einfache Gegenmaßnahme: Weiter nach hinten gehen, dies verringert den Neigungswinkel und somit diesen unschönen Effekt. Manchmal ist dies allerdings nicht möglich. In diesem Falle hätte ich z.B. die Straße hinter mir überqueren müssen (kein Problem: Fußgängerampel), dann hätte ich aber die störenden Leitungen der Straßenbahn im Bild gehabt.
Einzelaufnahme mit 17mm Objektiv
Einzelaufnahme mit 17mm Objektiv, Canon EOS 5D, nach oben gekippt
  • Die klassische Lösung wäre, am Standpunkt zu bleiben und ein Shiftobjektiv zu verwenden. Problem hier: Man würde ein 17mm Weitwinkelshiftobjektiv benötigen, was es leider nicht gibt.
  • Eine sehr einfache Lösung wäre, die Aufnahme so wie oben zu machen und sie später mit Photoshop zu korrigieren. Und zwar so: Auswahl - alles auswählen (Strg+A), Bearbeiten - Transformieren - Perspektivisch verzerren. Einziger Nachteil: Die Detailauflösung verringert sich erheblich mit der Bildhöhe.
Meine Lösung:
Ich erstelle in so einem Fall gerne ein perspektivenkorrigiertes Flächenpanorama. Aus mehreren Einzelbildern, angeordnet in 2 oder 3 Zeilen montiere ich per Stitchprogramm ein Panorama. Mit der richtigen Hard- und Software ist dies keineswegs kompliziert - im Gegenteil, fast alles lässt sich automatisieren - zum Schluss reicht ein einfacher Mausklick an der richtigen Stelle und alle Linien sind perfekt ausgerichtet - dazu aber später mehr.
Voraussetzungen:
Natürlich kann man auch ohne Panoramakopf arbeiten, das Ergebnis ist dann aber irgendwie Glücksache und wird professionellen Ansprüchen keineswegs gerecht!
Wer auf maximale Bildqualität Wert legt, greift zu einem "multirow" Panoramakopf, bei dem horizontal, wie auch vertikal um den Nodalpunkt des Objektives gedreht werden kann.
Welchen Zweck ein Panoramakopf erfüllt und was bei der Aufnahme grundsätzlich zu beachten ist lesen Sie im Kapitel Aufnahme auf dieser Website.
Eine rastbare Panoramaplatte für die horizontale Drehung erleichtert das Arbeiten ungemein! Einmal den richtigen Wert (per Tabelle und im Abhängigkeit von der verwendeten Brennweite) eingestellt, kann man im Prinzip nichts mehr falsch machen.
Sphärischer Panoramakopf
Sphärischer "multirow" Panoramakopf: Novoflex Panorama VR-System PRO
Zur Software: Benötigt wird ein Stitchprogramm, welches die Flächenprojektion unterstützt. Diese Art der Projektion ist keineswegs standard und wird leider nur von wenigen Programmen angeboten. Eines davon ist PTGui.
Warum Flächenprojektion?
Bei der Flächenprojektion wird ein herkömmliches Weitwinkel- oder Superweitwinkelobjektiv simuliert. Hierbei werden Einzelbilder verwendet, die einen kleineren Bildwinkel (entspricht längere Brennweite) darstellen als das fertige Panorama. Man kann z.B. mit einem relativ preisgünstigem 50mm Standardobjektiv ein teureres 20mm Weitwinkel digital simulieren. Das Ergebnis wird sogar besser ausfallen als das des realen 20mm Objektives, da man - bedingt durch die Vielzahl der Einzelaufnahmen - eine höhere Auflösung erzeugt und nicht mit Randeffekten wie Vignettierung oder chromatische Abberation zu kämpfen hat.

Die Flächenprojektion ist für Architekturaufnahmen besonders geeignet, da sie die Projektionsart ist, bei der sich waagerechte und senkrechte Linien nicht durchbiegen, sondern immer gerade bleiben.

Anders ist dies beispielsweise bei der Zylinderprojektion: Hier kommt es zu Verbiegungen von waagerechten Linien mit Ausnahme des Horizonts. Dafür lassen sich aber auch Bildwinkel über 180° darstellen, was bei der Flächenprojektion nicht möglich ist.

Zur Verdeutlichung hier eine Gegenüberstellung:

Flächenprojektion: Gerade Linien, ideal für Architektur - genau dies wollen wir hier. Nur bei sehr großen Bildwinkeln kommt es zum "Superweitwinkeleffekt", also Verzerrungen am Bildrand wie hier (siehe linke Seite, Kran und Auto)
Zylinderprojektion: Auch große Bildwinkel über 180° lassen sich darstellen, kein "Superweitwinkeleffekt wie oben, dafür "Verbiegung" von waagerechten Linien. Dies ist die Standardprojektionsart vieler Stitchprogramme - in unserem Fall (Bild von der Hypo-Zentrale) nicht empfehlenswert.
PTGui - was ist zu tun?
Eigentlich nicht viel. Folgen Sie einfach konsequent dem Projekt Assistant, also 1. Load Images..., dann 2. Align Images... und nun geht der Panorama Editor auf und zeigt Ihnen eine Vorschau. Hier müssen Sie in der oberen Zeile zwei wichtige Dinge einstellen:
Flächenprojektion einstellen
Set center point
Zunächst die Flächenprojektion, die hier mit Rectilinear bezeichnet wird.
Mit Set center point richten Sie anschließend die Linien gerade aus. Wie das funktioniert sehen Sie in der Animation unten.
Klicken Sie mit dem Kreuz einfach horizontal in die Mitte und vertikal auf den realen Horizont in der Aufnahme. Sollten Sie die Position nicht genau kennen, probieren Sie es einfach solange aus, bis die Linien gerade stehen.

Anschließend schließen Sie den Panorama Editor und führen den letzten Schritt Create Panorama aus. Fertig!

Ein Hinweis noch: Damit die Software die Bilder automatisch anordnen kann, vermeiden Sie Einzelbilder, die keine scharfe Struktur enthalten - beispielsweise nur blauen Himmel!

Meine Aufnahmetechnik: Canon EOS 5D, EF 17-40/4 bei 40mm, Novoflex Panorama VR-System PRO, 9 Aufnahmen.

Einer meiner Leser hat mir mal geschieben, dass die alten Griechen bei der Abbildung von Tempelanlagen die Linien ein klein wenig "stürzend" gezeichnet haben.
Es kann also durchaus der Fall sein, dass ein bischen "Sturz" besser aussieht als 100% auskorrigierte Linien.

Wenn Sie dies möchten, so klicken Sie mit dem Kreuz-Werkzeug einfach auf eine Stelle knapp oberhab des realen Horizonts.

100% auskorrigierte Linien Minimal stürzende Linien
100% auskorrigierte Linien Minimal stürzende Linien
Welches Ergebnis nun besser aussieht ist natürlich reine Geschmackssache und hängt sicherlich auch vom Motiv ab. Ich selber kann mich in diesem Fall nicht so recht für die eine oder andere Darstellung entscheiden.

Fazit:
Bleibt noch zu erwähnen, dass mein Bild dem eines real nicht existierendem 17mm Shiftobjektiv entspicht und über satte 50 Megapixel verfügt.

Tipp:
Falls Sie es selbst einmal probieren möchte: Fahren Sie in München mit der U4 in Richtung Arabellapark. An der Haltestelle Richard-Strauss-Strasse steigen Sie aus und stehen dann direkt vor der Zentrale der HypoVereinsbank. Das beste Licht haben Sie an einem sonnigen Tag am späten Nachmittag.

Noch mehr Infos:
Bereits 2006 habe ich mich mit dem Thema intensiv auseinander gesetzt und diese Artikel geschrieben. Damals war der hierfür ideale Stativkopf, das Novoflex Panorama VR-System PRO noch nicht auf dem Markt.

Jan Röpenack, September 2007
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